Dienstag, 22. November 2016

Liebe Eltern und Lehrer, wir haben etwas übersehen...



Wir möchten, dass unsere Kinder lernen auf Dinge zu achten. Sie sollen nichts herum werfen oder das neue Handy von Papa nehmen. 

Wir möchten, dass sie höflich anderen gegenüber sind. Dass sie jeden grüßen und andere nicht nerven.

Wir möchten dass sie die Umwelt schützen, in dem sie nichts einfach wegwerfen oder in dem sie nicht auf Blumen herum trampeln. 


Man kann sagen, dass wir auf alles achten, was unser Kind tun und lassen soll. Dabei haben wir das Wichtigste übersehen:

Wie oft achten wir darauf, dass sie auf sich selbst achten?


Dass sie darauf achten, ob sie sich wohlfühlen und wann ihnen etwas zu viel ist?

Dass sie selbst spüren dürfen, was ihnen gut tut und was nicht?

Interessiert es uns, was sie wirklich machen wollen?

Und was und wie sie die Dinge am liebsten lernen wollen?

In welchem Bereich lernen unsere Kinder, auf sich selbst zu achten...? 


Ein Kind was lernt und vorgelebt bekommt, dass es sich selbst gegenüber achtsam sein darf, wird diese Achtsamkeit selbstverständlich weitergeben. Es wird nichts kaputt machen wollen, niemanden verletzen oder auf Pflanzen treten wollen.

Ein Kind was einfach so sein darf wie es ist, dass so angenommen wird wie es ist, wird nicht das Bedürfnis haben, anderen zu schaden, sie zu manipulieren und zu beherrschen.


Was ist der Unterschied zwischen Egoismus und Selbstliebe / Selbstakzeptanz / Selbstachtung?:


SELBSTLIEBE:
Ich empfinde mich als liebenswert, in Ordnung und als wertvoll. Ich habe ein gesundes Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. So nehme ich mich selbst so wie ich bin und bin in meinem Inneren mit mir im Frieden. Ich achte auf mich selbst, meine Bedürfnisse und meine Grenzen. So gehe ich auch mit anderen und der Umwelt um. Ich fühle mich nicht von der Meinung anderer abhängig und ich habe nicht das Bedürfnis, sie zu benutzen oder ihnen zu schaden.


EGOISMUS:
Ich empfinde mich als nicht liebenswert, in Ordnung oder wertvoll. Ich habe wenig Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Für mein Selbstwertgefühl brauche ich wertvolle Dinge und die Anerkennung anderer Menschen. Um diese zu bekommen spiele ich eine Rolle. Ich empfinde noch wie das verletzte Kind von damals und (re)agiere auch noch so.


Wie können wir unsere Kinder dabei unterstützen, auf sich selbst zu achten?

In dem wir anfangen auf uns selbst zu achten. Uns selbst so annehmen , wie wir wirklich sind.

UND…

Indem wir anfangen Grundlegendes in Frage zu stellen:

Darf ein Kind selbst entscheiden, ob es sich von jemandem anfassen lassen will?

Ja. Auch wenn es nur ein Begrüßungskuss oder Handschlag ist. Es reicht auch ein nettes kurzes Anschauen zur Begrüßung.

Darf ein Kind selbst entscheiden, wie viel es isst und was ihm schmeckt?

Ja. Die Eltern entscheiden, was auf den Tisch kommt (möglichst gesunde Sachen) und das Kind darf bestimmen was es davon isst und wie viel.

Darf ein Kind entscheiden, was es in seiner Freizeit machen möchte?

Ja. Warum sollten das die Eltern entscheiden? Sie können ihm Angebote machen. Wenn das Kind es vorzieht seine oft wenige Freizeit mit „nichts machen“ zu verbringen, kann es für das Kind genau das Richtige sein. Ein auferzwungenes Hobby ist nicht die Basis, um später ein erfolgreicher und zufriedener Mensch zu sein. Bekommt es Raum und Zeit für eigene Ideen und um sich selbst kennen zu lernen, geschieht das ganz von alleine. Ein Kind, was nur den Wünschen im Außen entsprechen soll, wird nicht das Ziel erreichen Zufriedenheit und Fülle in seinem Inneren zu erleben. 

Darf ein Kind selbst entscheiden, was und wie es etwas lernen möchte?

Ja. Alles andere ist kontraproduktiv. Kaum ein Schüler an den regulären Schulen, der nach einem Test noch den Inhalt wiedergeben kann. Kaum ein Schüler der nach der Schulzeit sich selbst und seine Fähigkeiten wirklich kennen gelernt hat und voller Eifer einen Beruf anfangen möchte.

Viele der heutigen Erwachsenen fühlen sich zum größten Teil nur wertvoll, wenn sie bestimmte Leistungen bringen. Da sie nicht mehr wirklich wissen wer sie sind und wo ihre wahren Begabungen und Talente liegen. Und weil unsere bisherige Gesellschaft genau diesen Eindruck auch vermittelt. Wir machen uns gegenseitig etwas vor und jeder hofft, vom anderen Anerkennung zu bekommen.

In einem Schulsystem, was allen das Gleiche beibringt, mit nicht mehr zeitgemäßem Lehrplan und Lehrmethoden, kann ein Kind nicht sein eigenes Potenzial entwickeln. Das ist wie wenn wir alle Pflanzen im Garten gleich beschneiden und düngen würden. Oder alle Tiere gleich behandeln würden. Wir Menschen haben die gleichen Grundbedürfnisse, sind aber sonst sehr unterschiedlich.

Wir müssen anfangen darauf zu achten, dass wir selbst „artgerecht“ leben.

Ein Kind lernt im Laufe seiner Entwicklung vor allem folgende Dinge:

- "Ich muss alle Regeln beachten sonst gibt es Strafen." (Kinder verstehen diese Regeln nicht, da sie ihnen nur vorgegeben werden und sie sie noch nicht nachvollziehen können. Erst durch eigene Erfahrungen lernen sie, wie das Miteinander funktioniert.)

- "Ich muss das verstehen, was und wie die Lehrerin etwas vorgibt, sonst bin ich dumm."

- "Ich muss still sitzen, sonst bin ich ein schwieriger Schüler."

- "Ich muss nett sein, sonst bin ich kein liebes Kind."

Diese Liste kann man unendlich fortsetzen, mit dem was ein Kind im Laufe seines Lebens alles lernen, können und erfüllen muss.

Das Wichtigste hat es dabei allerdings nicht erfahren: 

Wie es ist, auf sich selbst zu achten. Hätte es diese Erfahrung immer wieder machen dürfen, hätten sich alle anderen Regeln erübrigt.


Und es ist nicht nur das Wertvollste für die Entwicklung des Kindes, sondern es wäre auch eine Erleichterung für die Eltern und Lehrer. Die tagtäglich dem Gefühl folgen, sie müssten das Kind erziehen, behandeln und belehren. Dies ist anstrengend und natürlich nicht zufriedenstellend.

So kann man zusammenfassen:

Wir haben Schüler, die jeden Tag darum bemüht sind, die Vorgaben der Eltern und Lehrer zu erfüllen, 
da sie von den Erwachsenen abhängig sind. 
Dadurch werden sie von sich selbst abgelenkt, verlieren den Kontakt zu ihrer eigenen inneren Wahrnehmung / Intuition und können sich selbst nicht ausreichend kennen lernen. Ihnen fehlt dadurch die Basis, um von Anfang an ein gesundes Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl entwickeln zu können.

Wir haben Lehrer, die versuchen, alles was sie gelernt haben, umzusetzen und richtig zu machen, da sie ebenfalls als Kind die Bindung zu sich selbst verloren haben.

Wir haben Eltern, die ebenfalls versuchen alles richtig zu machen und die hin- und hergerissen sind zwischen dem Leistungsdruck, dem sie selbst noch folgen und dem Gefühl, ihr Kind davor schützen zu wollen.


Was können wir als Eltern / Lehrer tun, um das zu ändern?:


"Wir brauchen unsere Kinder nicht zu erziehen, sie machen uns sowieso alles nach."
  • Wir müssen lernen loszulassen. Alte Glaubenssätze, Überzeugungen und Paradigmen.
  • Wir müssen den Rahmen, den wir (noch) vorgesetzt bekommen / dem wir ausgesetzt sind, auflösen.
  • Wir müssen uns um unser eigenes Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein kümmern.
  • Wir müssen… aufhören zu müssen!
Es geht darum, Vertrauen in unsere Kinder und in deren Entwicklung zu haben und dies an sie weiter zu geben.

Folgendes könntest du zu deinem Kind sagen:

„Ich vertraue darauf, dass du das machst.“

„Ich weiß, dass du es schaffst. So wie du es eben kannst.“

„Mach es so, wie du es dir selbst zutraust.“

„Es ist OK, wenn du Oma nicht drücken möchtest. Aber ich möchte, dass du sie dann auf deine Art begrüßt.“

„Ich freue mich für dich über die Note. Bedenke aber bitte, dass sie nicht aussagt, was für Potenziale in dir sind. Sie ist nur als Messlatte festgelegt worden, um diese eine bestimmte Leistung bewerten / beurteilen zu können.“

„Du darfst selbst entscheiden, wen du zum Geburtstag einladen möchtest.“

„Nein, ich möchte gerade nicht mit dir spielen, da ich mich gerade mit etwas beschäftige, was mich interessiert. Wir können aber später / am…gerne etwas zusammen machen.“

"Es ist OK, wenn du traurig, wütend... bist. Es gehört dazu und ich kann dir das nicht abnehmen, aber ich kann dich halten oder in deiner Nähe sein, wenn du möchtest."


Als ich Mutter geworden bin, habe ich verstanden, dass ich jetzt nicht nur ein Kind habe, sondern es auch meine größte Chance ist, in meiner eigenen Persönlichkeit zu reifen und zu wachsen.

Schnell habe ich feststellen müssen, wie selten Eltern ein entspanntes Verhältnis zu ihren Kindern haben. Sowohl die Eltern der heutigen Kinder wie auch sie selbst mit ihren eigenen Eltern. Der Zusammenhang ist klar zu erkennen und ihn zu beachten ist wesentlich für die Entwicklung unserer Kinder. Es gibt heute so viele Ratgeber und Meinungen zum Thema Kind und Eltern. Dabei ist es auch hier immer das Einfache was am Ende zählt.

Wir müssen uns entscheiden:

Wollen wir, dass unsere Kinder ebenfalls zu funktionierenden, wettbewerbsfähigen Pflichterfüllern werden, die aus der (Versagens-) Angst heraus versuchen Erwartungen gerecht zu werden?

Oder wollen wir diesen Kreislauf endlich beenden und sie in ihrem Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein stärken, sodass sie innerlich stabile und gesunde Erwachsene werden können, die das leben, was ihnen Freude macht?


Nach all dem was wir gelernt und auferlegt bekommen haben, haben wir vor vielen Dingen Angst. Eine davon ist, dass unsere Kinder in dieser Welt untergehen und nichts erreichen könnten. Wenn wir uns aber von dieser Angst weiterhin steuern lassen, wird genau das passieren. Nicht die Welt, aber die Menschen werden innerlich „kaputt“ sein. So wie es jetzt schon zu beobachten ist.

Wir als Eltern befinden uns in einer entscheidenden Position, um dabei mitzuwirken wie diese Welt sich verändern wird.

Lasst uns dieser Angst und diesen Zweifeln begegnen und mutig sagen:


Ich möchte vor allem, dass es meinem Kind gut geht. Und ich werde ab sofort darauf achten, dass es lernt, auf sich selbst zu achten. Insbesondere dadurch, dass ich anfange auch mit mir selbst achtsam umzugehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen